Mein 96-jähriger Schwiegervater lebt in einer Senioreneinrichtung bei Hamburg. In einem Gedicht hat er besonders die letzten Jahre seines Lebens verarbeitet:
Zurückgedacht, der Weg war schwer und weit,
doch noch schwimmen wir im trüben Strom der Zeit:
Tag und Nacht, schlafen, wachen, trinken, essen,
auf leisen Sohlen schleicht das „große Vergessen“,
und auch die sanfte Schwester "Müdigkeit“
macht sich in Leib und Seele heimlich breit.
Das Zeitgefühl verblasst, gerät ins Wanken,
träge und verwirrend fließen die Gedanken,
o weh! Es verschleiert sich das schöne Augenlicht,
und auch die Ohren verweigern ihre Pflicht.
Abstand haltend schlurfen unsere Füße durch die Gänge,
der Atem immer kürzer, und in der Brust wird’s enge.
Ach, wer zählt die ungeweinten Tränen unserer Herzen?
Wer zählt die „Weh-Wehchen“ und die Schmerzen?
Vater im Himmel, Du hältst uns mit liebend Händen,
am Ende wirst du alles, was uns peinigt, wenden.
Diese Zeilen zeigen einen tiefen Realismus. Es wird nichts beschönigt. Aber durch die letzten Verse schaut auch eine große Hoffnung, eine Gewissheit des Getragenseins in dieser Krisenzeit, gerade auf den letzten Metern des Lebens.
Das gibt Mut, auch als jüngerer Mensch die heutigen Krisen ohne übermäßige Ängste anzugehen. Denn schon im Alten Testament sagt Gott (Jesaja 46,4): „Ja, ich will euch tragen bis ins Alter und bis ihr grau werdet. Ich will es tun; ich will heben und tragen und retten.“
Lassen Sie sich von diesem realistischen Optimismus meines Schwiegervaters anstecken!